Stellungnahme zur Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über Anforderungen an eine nachhaltige Herstellung von Biomasse zur Stromerzeugung (BioSt-NachV
Vorbemerkung und Grundsätzliches zur BioSt-NachV
Das Hauptstadtbüro Bioenergie (HBB) dankt für die Möglichkeit der Stellungnahme zur zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über Anforderungen an eine nachhaltige Herstellung von Biomasse zur Stromerzeugung (BioSt-NachV). Die Umsetzung der Anforderungen an eine nachhaltige Bioenergieproduktion der RED II hat für die gesamte Bioenergiebranche höchste Priorität. Die Einhaltung und Nachweisdokumentation dieser gesetzlichen Vorgaben über den gesamten Lebensweg der Bioenergie sind ein Alleinstellungsmerkmal im Bereich der Produktion von erneuerbaren Energien und Basis für den Marktzugang. Die damit einhergehende Transparenz ist Grundlage für die politische und öffentliche Akzeptanz von Bioenergie.
Das HBB begrüßt ausdrücklich, dass das BMUV mit dem vorgelegten Verordnungsentwurf die Möglichkeit einräumt, durch rechtzeitige Erlangung der erforderlichen Nachhaltigkeits-Zertifizierung den Anspruch auf Zahlung der EEG-Vergütung aufrechtzuerhalten. Damit wird die Kritik der Bioenergiebranche an der Verzögerung der Umsetzung der Erneuerbare Energien Richtlinie [(EU) 2018/2011 - RED II] und der zu kurzen Umsetzungsfrist sowie dem Auditorenmangel, die bereits während des Verordnungsgebungsverfahrens der BioSt-NachV formuliert wurde, aufgegriffen. Das HBB kritisiert jedoch, dass ohne eine Änderung der Übergangsbestimmungen in § 55 nur der Zeitpunkt der Zertifizierung nach hinten geschoben wird. Überhaupt nicht adressiert wird der Umstand, dass damit weiter Unklarheit herrscht, welche Vorgaben Biomasse einhalten muss, die seit 1. Januar 2022 eingesetzt wurde. Neben der Frage, ob Nachhaltigkeitskriterien einzuhalten sind, betrifft dies vor allem die dann erforderliche Nachweisführung gegenüber dem Netzbetreiber. Das HBB fordert eine Verlängerung der Übergangsfrist in § 55 der BioSt-NachV auf den 1. Juli 2023, um die erforderlichen Umstellungen der Biomasselieferungen und die Zertifizierung entlang der gesamten Kette durchführen zu können.
Als Antwort auf den Krieg in der Ukraine hat die Europäische Union am 18. Mai den REPowerEU-Plan verabschiedet; unter anderem mit dem Ziel, die Produktion von Biomethan bis zum Jahr 2030 auf 35 m³ zu steigern. Dazu wurde eine Liste von Maßnahmen veröffentlicht, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Wesentlich für einen beschleunigten Ausbau von Erneuerbaren Energien ist der Abbau von administrativen Hürden.
Diesem ambitionierten Ziel stehen auf nationaler Ebene derzeit Hemmnisse durch die Ausgestaltung der regulatorischen Anforderungen zur Nachhaltigkeitszertifizierung entgegen. Konkret stellt die praktische Umsetzung die Bioenergiebranche vor erhebliche Herausforderungen. Diese sind derart schwerwiegend, dass allen Teilnehmenden der Branche Konsequenzen drohen, die bis zu Anlagenstillegungen führen könnten.
Die insgesamt zu kurze Einführungsfrist der BioSt-NachV von drei Wochen führt zudem zu ungeklärten Fragen, die während der laufenden praktischen Umsetzung der Verordnung zu klären sind. Diese Probleme und Unklarheiten sollten mit einem runden Tisch von Betreibern von Bioenergieanlagen, Netzbetreibern, Bundesregierung, Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Zertifizierungssystemgebern und Auditoren adressiert werden (siehe hierzu auch die Ausführungen unter „Weitere notwendige Änderungen der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung – BioSt-NachV“).
Sehr stark betroffen ist zudem der Abfallbereich. Grundsätzlich geht das HBB davon aus, dass die energetische Nutzung von Abfällen und Reststoffen nachhaltig und im Sinne des Gesetzgebers sowie der Gesellschaft ist. Zudem erfolgt über das Abfallrecht eine umfangreiche und lückenlose Dokumentation der Abfallbiomassen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass der Verordnungsgeber die Ansicht vertritt, dass eine erneute Dokumentation und separate Nachhaltigkeits-Zertifizierung der gesamten Abfallkette erforderlich ist und die bestehende Dokumentation nicht anerkannt wird. Das HBB fordert deshalb zum Einen eine Klärung, ob und welche Nachhaltigkeitsanforderungen Abfälle und Reststoffe, die nicht aus Land-, Forst- und Fischwirtschaft stammen, erfüllen müssen und zum Anderen erleichterte Nachweisverfahren, für den Fall, dass der Verordnungsgeber zu der Auffassung kommt, dass auch Abfälle und Reststoffe den Nachhaltigkeitsanforderungen unterliegen. Aufgrund der kurzen Frist und der ungeklärten Frage, ob und wie Abfallbiomasse zu zertifizieren ist, Seite 3 Stellungnahme zur Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über Anforderungen an eine nachhaltige Herstellung von Biomasse zur Stromerzeugung (BioSt-NachV) musste aufgrund von vorliegenden Abnahmeverträgen in den vergangenen Monaten nicht zertifizierte Biomasse eingesetzt werden. Die vorgeschlagene Fristverlängerung kann dies nicht auflösen.
Ebenso problematisch und mittlerweile in der Vergangenheit liegend sind die nicht kompatiblen Bilanzzeiträume im Gashandel (EEG, KWKG) und den Vorgaben der BioSt-NachV. Aufgrund auch hier bestehender Lieferverträge, die nicht innerhalb von drei Wochen verändert werden konnten, ist ein Ausgleich der Massenbilanz im ersten Quartal nicht möglich, was einer Nachhaltigkeitszertifizierung widerspricht. Üblicherweise erfolgt der Ausgleich über ein Kalenderjahr. Insbesondere betroffen sind hier auch Kommunen, die Biomethan zur Energieversorgung einsetzen.
Ebenfalls nicht geklärt und mit Rückgriff in die Vergangenheit behaftet ist der Umgang mit Biomasse, die sich in Lagern befindet und für die rückwirkend keine Nachweise erstellt werden können. Sollte der Starttermin auf den 01.07.2023 verschoben werden, könnte diese Biomasse so lange rechtssicher eingesetzt werden.
Ebenso gilt es zu klären, ob eine bilanzielle Teilbarkeit der erzeugten Wärme und Strom aus nachhaltig zertifizierter und nicht-nachhaltig zertifizierter Biomasse möglich ist. Dies würde die erforderliche Flexibilität schaffen, eine Aufteilung gemischter Biomassebestände auf die erzeugte Endenergie vorzunehmen.
Zudem sind bei Biogas die Anforderungen des EEG und die Systematik zur Erhaltung des Nachhaltigkeitsnachweises nach BioSt-NachV in Bezug auf die bilanzielle Teilbarkeit von Rohbiogas nicht kompatibel. So ist fraglich, ob z.B. einerseits der Eigenstromverbrauch der Biogasanlage mit Strom aus Biogas von nicht nachhaltiger Biomasse und die Stromeinspeisung auf Basis von Biogas aus nachhaltiger Biomasse erfolgen kann und welche Konsequenzen dieses Vorgehen auf die EEG-Vergütung hat. Ebenso lässt es die BioSt-NachV zu, das Rohgas und damit die Nachhaltigkeitseigenschaften auf verschiedene EEG-Anlagen zu verteilen. Ausschlaggebend sind hier nicht abschließend die Regelungen der BioSt-NachV, sondern die Regelungen des EEG. Diese sind allerdings dahingehend unbestimmt. Deshalb bestehen rechtliche und finanzielle Risiken zur Auslegung des EEG. Diese können im Zweifel bis hin zum endgültigen Verlust der EEG-Vergütung führen. Die Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz (verantwortlich für das EEG) und Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (verantwortlich für die BioSt-NachV) sollten die Anwendung der bilanziellen Teilbarkeit von Rohbiogas in Bezug auf die Nachhaltigkeit gemäß der BioSt-NachV und den daraus entstehenden Konsequenzen für die EEG-Vergütung rechtssicher kommunizieren.