Anliegen an die AG Akzeptanz/Energiewende
Vorbemerkung
Die Bioenergieverbände begrüßen, dass die Regierungsfraktionen zügig eine AG Akzeptanz/Energiewende einberufen haben. Wir hoffen, dass auf dieser Basis bis Herbst 2019 u.a. eine umfassende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2017) eingeleitet wird, um die notwendigen Weichenstellungen zur Erreichung des Ziels von 65% Erneuerbarer Energien am Brutto-Stromverbrauch vorzunehmen. Die Bioenergieverbände haben kürzlich Vorschläge für eine umfassende EEG-Reform vorgelegt (abrufbar auf den Homepages der Verbände). Da eine Reihe dieser Vorschläge eine hohe Bedeutung für die Erreichung des 65%-Ziels haben, bietet es sich an, diese bereits im Rahmen der AG Akzeptanz/Energiewende zu diskutieren.
Bedeutung der Biomasse zur Erreichung des 65%-Ziels
Die Stromerzeugung aus Biogas, Holz und anderen Biomassen deckt mit mehr als 50 Terrawattstunden (TWh) 8,5% des Brutto-Stromverbrauchs in Deutschland und ist damit nach der Windenergie an Land (14,6%) und noch vor der Photovoltaik (6,6%) eine der bedeutendsten Technologien der Erneuerbaren Stromerzeugung (Stand: 2017).[1] Daneben stellen biogene Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen 40 TWh erneuerbare Wärme bereit; mehr wird nur durch reine Kesselanlagen im Holzbereich erzeugt. Die Menge der durch Bioenergieanlagen bereitgestellten Energie entspricht dabei:
- 29 Gigawatt (GW) Windenergie an Land für die reine Stromerzeugung zzgl. 6 GW, wenn die bereitgestellte Wärme mittels Wärmepumpen erzeugt würde;
- 54 GW Photovoltaik für die reine Stromerzeugung zzgl. 8 GW, wenn die bereitgestellte Wärme mittels Wärmepumpen erzeugt würde.[2]
Neben ihrer mengenmäßigen Bedeutung trägt die Stromerzeugung aus Biomasse im Zusammenspiel mit den fluktuierenden Erneuerbaren Energien zur Dämpfung der Gesamtkosten eines Stromsystems mit hohen Anteilen Erneuerbarer Energien bei. Zwar sind die Stromgestehungskosten der fluktuierenden Erneuerbaren Energien Wind- und Solarenergie niedriger als die Stromgestehungskosten der meisten Bioenergieanlagen. Doch die fluktuierende Stromerzeugung verursacht pro Kilowattstunde höhere Systemkosten als eine Kilowattstunde aus den steuerbaren Bioenergieanlagen. Wird der anvisierte Anteil von 65% Erneuerbaren Stroms zu einem gewissen Teil aus Biomasse erzeugt, fallen diese Systemkosten geringer aus: Denn wenn Bioenergieanlagen nur dann Strom erzeugen, wenn nicht genug Wind- und Solarstrom zur Verfügung steht, dann wird das bestehende Stromnetz effizienter genutzt und es müssen weniger konventionelle Kraftwerke als Reserve für diese Zeiten vorgehalten werden. Würde ein gewisser Anteil der anvisierten 65% durch steuerbare Bioenergieanlagen gedeckt, könnte das Ziel mit weniger Netzausbau, weniger Notmaßnahmen zur Beseitigung von Netzengpässen und weniger konventionellen Reservekraftwerken erreicht werden als wenn die Strommengen ausschließlich durch fluktuierende Erneuerbare Energien bereitgestellt würden. Ein positiver Nebeneffekt sind zudem die positiven Auswirkungen auf die regionalen Wirtschaftskreisläufe, in die Biogasanlagen und Holzheizkraftwerke intensiv eingebunden sind.
Anliegen #1: Ausschreibungsvolumina Biomasse 2023-2030
Die im EEG festgelegten Ausschreibungsvolumina für Biomasse enden 2022. Ohne eine Verlängerung wird die Stromerzeugung aus Biomasse bis Anfang der 2030er vollständig wegbrechen. Wie oben beschrieben hätte dies starke Auswirkungen auf die Ausbaupfade der anderen Erneuerbaren Technologien, die ohnehin bereits die Hauptlast des geplanten Ausbaus tragen sollen und müssen, und dies dann kaum noch zusätzlich kompensieren könnten. Zudem ergäben sich Auswirkungen auch auf den Ausbau anderer Erneuerbarer Wärmetechnologien sowie die Gesamtkosten eines Stromsystems mit 65% Erneuerbarer Energien. Wir schlagen deshalb vor, auf einer Sitzung der AG Akzeptanz/Energiewende diese Wechselwirkungen zu diskutieren und ggf. eine Empfehlung für die Fortführung der Ausschreibungsvolumina für Biomasse abzugeben.
Als Beschlussempfehlung stellen wir gerne unseren Vorschlag zur Diskussion, nach dem die Ausschreibungsvolumina von 2023 bis 2030 zumindest wie folgt fortzuführen sind:
Jahr |
2023 |
2024 |
2025 |
2026 |
2027 |
2028 |
2029 |
2030 |
Insg. |
MW inst. |
300 |
500 |
500 |
1.000 |
1.000 |
1.500 |
1.500 |
2.000 |
8.300 |
Das insgesamt bis 2030 ausgeschriebene Volumen ist so gewählt, dass zusammen mit den Ausschreibungsvolumina im EEG 2017 (insgesamt 1.050 MW inst. von 2017 bis 2022) die Stromerzeugung (elektrische Arbeit) aus EEG-vergütungsfähiger Biomasse gemäß der heutigen Prognosen[3] in etwa auf dem aktuellen Niveau stabilisiert wird. Das durchschnittliche Biomasse-Ausschreibungsvolumen von ca. 1.038 MW inst. pro Jahr entspricht dabei in etwa einem jährlichen Ausschreibungsvolumen von:
- 3.100 MW pro Jahr Windenergie an Land für die reine Stromerzeugung zzgl. der Leistung, die zum Betrieb der Wärmepumpen notwendig wäre; oder
- 5.900 MW pro Jahr Photovoltaik für die reine Stromerzeugung zzgl. der Leistung, die zum Betrieb der Wärmepumpen notwendig wäre.[4]
Anliegen #2: Flexibilisierung des Biogasanlagenbestands
Wie oben beschrieben trägt ein steuerbarer Bioenergieanlagenpark zur Reduktion von Systemkosten bei. Wir schlagen deshalb vor, auf einer Sitzung der AG Akzeptanz/Energiewende Maßnahmen zu diskutieren, wie insbesondere die Flexibilisierung des bestehenden Biogasanlagenbestands noch verstärkt angereizt werden kann. Die Bioenergieverbände haben dazu mehrere Vorschläge unterbreitet. Die beiden wichtigsten betreffen die Flexibilitätsprämie für bestehende Biogasanlagen im EEG.
Zum einen ist die Inanspruchnahme der Flexibilitätsprämie im EEG gedeckelt. Insgesamt können nur 1.000 MW installierter Leistung zuzüglich der Leistung, die in den 16 Monaten nach Erreichen dieser Grenze zur Flexibilisierung zugebaut wird, über die Flexibilitätsprämie gefördert werden. Der Deckel verhindert, dass das Potenzial von Bioenergieanlagen, die Gesamtkosten eines Stromsystems mit 65% Erneuerbaren Stroms zu senken, ausgeschöpft wird, und sollte deshalb gestrichen oder zumindest stark erhöht werden.
Zum anderen muss das Problem adressiert werden, dass sich die Investition in eine Flexibilisierung für viele bestehende Biogasanlagen nicht mehr rechnet. Zwar lässt sich eine Flexibilisierung in der Regel über die Flexibilitätsprämie refinanzieren, aber nur insofern die Prämie tatsächlich über den dort vorgesehenen Zeitraum von zehn Jahren gezahlt wird. Bei der jetzigen Ausgestaltung der Flexibilitätsprämie können viele Betreiber die Zahlungen aber für keine zehn Jahre mehr geltend machen. Dies sind zum einen Anlagen, deren EEG-Vergütungszeitraum in der ersten Hälfte der 2020er Jahre ausläuft. Zum anderen handelt es sich um Anlagen, die frühzeitig die Flexibilitätsprämie in Anspruch genommen haben, nun aber die Flexibilität weiter ausbauen möchten. Diese Anlagen können für die weitere Flexibilisierung die Flexibilitätsprämie nur noch für deutlich weniger als zehn Jahre in Anspruch nehmen (im Normalfall sind dies noch fünf bis sechs Jahre) und deshalb eine Umrüstung nicht mehr finanzieren. Der Fachverband Biogas e.V. schätzt, dass insgesamt mehr als 2.000 Anlagen, also rund ein Viertel des Biogasanlagenparks, aus einem der beiden Gründe nicht mehr vollends technisch umrüsten können. Zur Lösung des Problems könnte die Flexibilitätsprämie umgestaltet werden, so dass die notwendigen Zahlungen auf die noch verbliebenen Jahre des Vergütungszeitraums verteilt werden.
Für Fragen stehen wir Ihnen sehr gerne zur Verfügung.
Kontakt:
Hauptstadtbüro Bioenergie
Sandra Rostek
Leiterin
ebfgrx@ovbraretvr.qr
T +49 (0) 30 | 27 58 179 00
www.hauptstadtbuero-bioenergie.de
[1] Quelle: BMWi/AGEE Stat, Zeitreihen zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland (Stand: Dezember 2018).
[2] Annahmen: Durchschnittliche Volllaststunden: Windenergie an Land 1.750; Photovoltaik: 931 (Durchschnitt in 2017 nach BMWi/AGEE Stat). Jahresarbeitszahl von Wärmepumpen: 3,7 (Technologie-Mix von Neuanlagen in 2018; Quelle: Bundeverband Wärmepumpe e.V., Branchenstudie 2018).
[3] Quelle: Berechnungen des Deutsche Biomasse Forschungszentrums (2015) über das Auslaufen der EEG-Vergütungen von Biogasanlagen und Feste-Biomasse-Anlagen (ohne Altholz und Schwarzlauge, die im EEG 2017 nicht mehr vergütungsfähig sind).
[4] Annahmen: Durchschnittlichen Volllaststunden vergütungsfähiger Biomasseanlagen: ca. 5.400 (Einhaltung der Flexibilitätsanforderungen im EEG 2017 mit rund 2/3 Biogas-Projekte).